Wie können sich Tourismus und Camping in Zeiten von Krisen aufstellen? Um das zu diskutieren, lud der ADAC Mittelrhein Experten aus Politik und Wirtschaft ein. Der ADAC Talk, moderiert von der freien Journalistin Katrin Wolf, fand im Rahmen der bundesweiten ADAC Camping Days am 22. Juni 2022 in Bad Neuenahr-Ahrweiler statt.
Nach Katastrophen wiederaufbauen – aber auch Innovationen schaffen
Im Juli 2021 verwüstete eine furchtbare Flutkatastrophe große Teile des Ahrtales sowie weitere Flusstäler im Südwesten und Westen Deutschlands. Allein an der Ahr kamen mindestens 133 Menschen ums Leben. Zu Beginn des ADAC Talks wurde über die Flutkatastrophe diskutiert. Dr. Achim Schloemer, Vorstand beim ADAC Mittelrhein, und Christian Lindner, Vorsitzender des Ahrtal Tourismus Bad Neuenahr-Ahrweiler e.V., lobten die intensive, solidarische Hilfe, zum Beispiel der zahlreichen ehrenamtlichen Helfer und die Unterstützung von sechs ADAC-Hubschraubern und zahlreichen Pannenhelfern. Die Tourismusexperten riefen Gäste dazu auf, das Ahrtal wieder zu besuchen, zu genießen und dabei Betroffenen mit der nötigen Sensibilität zu begegnen. Viele Betriebe seien nicht zerstört oder schon wieder aufgebaut worden. Sie benötigen dringend Buchungen, um ihren Betrieb nach langem Lockdown und der Flut weiterführen zu können.
Auch einige Campingplätze an der Ahr seien wieder geöffnet
Lindner sowie Petra Dick-Walther, Staatssekretärin für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Wein in Rheinland-Pfalz und Gereon Haumann, rheinland-pfälzischer DEHOGA-Präsident hoben die intensive staatliche Wiederaufbauhilfe hervor. Die Experten empfahlen, bei allem Verständnis für den gewünschten und wirtschaftlich nötigen schnellen Wiederaufbau, auch die Innovationen nicht zu vergessen. Hausmann bezeichnete die Flut auch als Chance, das Ahrtal für die touristische Zukunft noch besser aufzustellen als vorher. Seine Vision sei zum Beispiel ein Ahrtal, das zu großen Teilen frei von Autos mit Verbrennungsmotor sei – nach dem erfolgreichen Vorbild von Saas Fee oder Juist.
Gäste und Betriebe reagieren flexibler und resilienter auf vielfache Krisen
Trend- und Zukunftsforscherin Anja Kirig hob hervor, dass neben Krieg, Klimawandel und Flut auch der Wandel der Arbeits- und Lebenswelt das Reiseverhalten beeinflusse. Viele Urlauber würden wegen der vielen Krisen und Umbrüche darauf achten, ihre Sensibilität für die Zukunft auszubauen. Aquilin Schömig, Geschäftsführer ADAC Reisevertrieb GmbH, sieht die Branche insgesamt gut aufgestellt: Die Reisebranche sei weltweit aktiv und müsse deshalb leider permanent mit kleinen oder großen Krisen umgehen.
Megatrends Individualität, Flexibilität und Sicherheit
Trendexpertin Kirig beschrieb, dass viele Touristen immer individueller unterwegs sein möchten. Dies stünde in einem Spannungsfeld mit dem zunehmenden Bedürfnis nach Sicherheit. Ein weiterer Megatrend sei der Wunsch vieler Urlauber, etwas wirklich Authentisches zu erleben, sich persönlich mit Land oder Leuten zu verbinden. Dirk Fohr, geschäftsführender Gesellschafter des Wohnwagen- und Wohnmobilhändlers Niesmann Caravaning, ergänzte, dass Camping als selbstbestimmte, individuelle Reiseform im Trend läge.
Die Campingzielgruppe sei nach Dirk Focks Erfahrung heute „unfassbar bunt“
Camper kämen aus fast allen Einkommensschichten und Altersgruppen. Manche würden beispielsweise für ihr Wohnmobil einen einfachen Schotterstellplatz buchen, um dann eine hochwertige Radtour zu unternehmen. Moderne Camper möchten nach Focks Einschätzung flexibel sein. Sie wollen nicht nur schnell auf das Wetter, sondern auch auf andere Herausforderungen oder Krisen reagieren können. Trendforscherin Kirig lobte, dass die Campingbranche mit ihren ausdifferenzierten Angeboten sehr vielfältige Kundenbedürfnisse erfüllen könne, bis hin zu Ferienwohnungen auf Campingplätzen. Reisevertriebsexperte Schömig ergänzte, dass PiNCAMP diese Vielfalt gut aufarbeiten würde.
Gegen den Fachkräftemangel – nicht nur der Gast ist König, sondern auch das Personal
Eine weitere große Herausforderung ist das Fehlen von Fachkräften. Im Zuge der Corona Pandemie hätte die regionale Tourismus- und Gastronomiebranche rund ein Viertel der Fachkräfte an andere Branchen verloren. Fachkräfte zu gewinnen und zu halten, sei die größte Herausforderung, so Hausmann. Ein erster Schritt sei die starke Anhebung des Lohnniveaus um 30 % und mehr, insbesondere für Auszubildende und Berufsanfänger. Darüber hinaus hält der DEHOGA-Experte es wichtig, die Mitarbeiter mehr wertzuschätzen. Das würden die Mitarbeitenden dann auch an die Gäste weitergeben. Eine Branche, die sich für das Wohlfühlen der Gäste einsetzt, müsse sich genauso dafür einsetzen, dass sich die Mitarbeiter wohlfühlen.
Der Klimawandel fördert den Wunsch nach nachhaltigen Reisen
Weitgehend einig waren sich die Experten darin, dass Nachhaltigkeit für die Reisebranche an Bedeutung gewinnt. Der Tourismus sei ein Teil des Problems, aber auch der Lösung, war zu hören. Dirk Fock sieht die Reisemobilbranche im Vergleich mit der Automobilbranche einige Jahre im Rückstand. Campingfahrzeuge mit Strom- oder Wasserstoffantrieb seien nötig.
Der ADAC begleitet, berät und informiert
Abschließend betonte Dr. Achim Schloemer vom ADAC Mittelrhein die Verantwortung des ADAC, Gesprächsforen wie diesen ADAC Talk anzubieten. Der ADAC sei dem Gemeinwohl verpflichtet und schon durch seine Mitgliederzahl ein Spiegelbild der Gesellschaft. Mit den ADAC Camping Days will der ADAC bundesweit Menschen für die Campingbranche sensibilisieren und informieren. Das Spektrum reicht von der Beratung, zum Beispiel zum Beladen von Campingfahrzeugen und zur Fahrsicherheit, bis zu spannenden Campingplatzangeboten, die auf PiNCAMP präsentiert werden.
Die gesamte Diskussion mit vielen weiteren Aspekten können Sie hier auf YouTube Kanal vom ADAC Mittelrhein ansehen.